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Startenor Rolando Villazón über Putins Ukraine-Krieg, russische Künstler und die vielen Dinge, die jetzt zu tun sind.

Rolando Villazón, der mexikanische Startenor und Tausendsassa, der mit seiner Familie in Paris, wird am Dienstag um 20 Uhr in der Berliner Philharmonie beim Solidaritätskonzert für die Ukraine dabei sein. Gemeinsam mit der Geigerin Lisa Batiashvili, dem Pianisten Kirill Gerstein, dem Oboisten François Leleux sowie dem Sänger Max Raabe werden das Deutsche Symphonie-Orchester und der Rundfunkchor unter Leitung von Alan Gilbert Werke von Bach, Dvorák, Verdi, Tschaikowsky, Igor Loboda und Alessandro Marcello präsentieren. Die Erlöse des Konzerts kommen dem „Bündnis Entwicklung Hilft“ und der „Aktion Deutschland Hilft“ zugute.

Wie ist es zu Ihrer Beteiligung an einem Solidaritätskonzert in Berlin gekommen?

Rolando Villazón Ich wurde gefragt. Aber ich hatte bereits mein Management gebeten, gemeinsam mit mir zu überlegen, was ich als Künstler in dieser Situation Sinnvolles machen kann? Ich bin ja auch Botschafter der Roten Nasen und plane mit ihnen Aktivitäten speziell für Geflüchtete aus der Ukraine. Es geht gerade um die vielen kleinen Dinge, die wir in dieser großen Katastrophe machen können. Denn ich fühle mich sehr hilflos. Ich bin glücklich, dass ich am Dienstag in der Philharmonie mitmachen kann.

Wie ist Ihre Position zu Putins Krieg?

Ich bin kein Stratege und auch kein Politiker. Aber ich weiß, dass dieser Krieg falsch, unrechtmäßig und unmenschlich ist. Ich bin sehr böse und zugleich sehr traurig. Ich möchte nur, dass dieser Mann seine egoistische Verrücktheit beendet. Es ist eine Tragödie, zu der es ohne Provokation gekommen ist. Die Kameras zeigen uns jeden Tag Tote, Verletzte und Flüchtende, die plötzlich ohne Wohnung dastehen. Ich hoffe, dass die Ukraine demokratisch bleibt und es schafft, ein von Russland unabhängiges Land zu bleiben. Die Menschen haben lange für mehr Demokratie gekämpft.

Wir haben gerade international erlebt, dass russische Künstler ausgeladen oder russische Kulturveranstaltungen abgesagt wurden?

Ich bin komplett dagegen, denn das spielt Putin zu. Er kann den Leuten sagen, seht ihr, alle sind gegen uns. Jemand, der im Herzen gegen Putin ist, wird enttäuscht sein, dass es plötzlich gegen Dostojewski, Tschaikowski, Tolstoi oder Bulgakow geht. Wenn eine Universität in Italien sagt, jetzt meiden wir die russische Literatur, dann kann ich nur den Kopf schütteln. Das Beste, was vom Menschen kommt, sind die Liebe und die Kunst. Die schlechte Seite der Menschheit erleben wir gerade auf dramatische Weise in diesem Krieg. Die russische Kunst ist ein Teil des Lichts.

Betrifft das auch die Künstler?

Wir brauchen auf unseren Bühnen niemanden, der sagt, er sei für Putin. Ich möchte mit keinem Putin-Anhänger gemeinsam singen. Aber wir können von Künstlern nicht fordern, was sie zu sagen haben. Viele russische Künstler haben von Herzen gesagt, sie seien gegen Krieg. Das muss uns genügen. Es geht zuerst darum, dass wir uns für die Ukrainer einsetzen. Und darüber hinaus für die Russen, die gegen Putin und den Krieg sind.

Mit Anna Netrebko haben Sie in Berlin Triumphe gefeiert. Die russische Starsängerin hat sich jetzt ohne weitere Statements aus dem Opern- und Konzertbetrieb zurückgezogen oder ist ausgeladen worden. Was denken Sie darüber?

Ich habe im Moment keinen Kontakt mit Anna. Ich weiß nicht, was sie persönlich denkt. Aber ich habe ihre Erklärung gelesen. Sie hat geschrieben, dass sie gegen den Krieg ist. Ich weiß nicht, was ein Künstler noch sagen muss, um auf die Bühne zu dürfen? Ich weiß aber, dass es für alle Künstler und Institutionen gerade eine schwere Situation ist. Dennoch dürfen wir Entscheidungen nicht allein aus dem Bauch heraus treffen, sondern müssen auf den Verstand hören. Wir sind alle wütend, wenn wir die Bilder im Fernsehen sehen und uns fragen: Wieso müssen die Kinder, die an Krebs leiden, im Zug flüchten? Aber man darf seine Wut nicht in die falsche Richtung lenken. Wir sind im Geiste der Aufklärung aufgewachsen und müssen nicht Putins ideologische Spiele mitmachen.

Wo waren Sie gerade, als der Krieg ausbrach?

Ich kam gerade aus Salzburg, wo ich meinen Geburtstag gefeiert hatte, zurück nach Paris. In Frankreich ist die Situation eine besondere, weil wir im Präsidentschaftswahlkampf sind. Der Wahlkampf hat eine komplett andere Richtung genommen, denn alle ursprünglichen Themen wurden unwichtiger angesichts des Krieges. Man fühlt überall die Angst, dass die Welt morgen eine andere sein könnte. Obwohl gerade die Sonne schein, gibt es ein apokalyptisches Szenarium. Aber viel prägender ist die große Solidarität der Leute rundum. Putin hat es geschafft, dass wir uns alle viel europäischer fühlen. Jeder liebt plötzlich demokratische Ideale. Man spürt in Frankreich ein gewisses Erwachen.

Sie sind als Künstler viel herumgekommen. Sind Sie jemals Putin begegnet?

Glücklicherweise nicht. Ich war im September dabei, als Anna ihren 50. Geburtstag gefeiert hat. Ich habe vorher gefragt, ob Putin dabei sein wird? Wenn ja, habe ich gesagt, dann kann ich nicht kommen. Ich habe von Beginn meiner Karriere an entschieden, bestimmte Dinge nicht zu tun. Ich bin von Königen und Präsidenten eingeladen worden, bei ihnen oder für sie zu singen. Ich habe immer abgelehnt, auch als man mich in das Weiße Haus eingeladen hatte. Wenn ein König oder ein Präsident ins Theater kommt, dann ist das etwas anderes. Frau Merkel ist schon mehrmals in meine Konzerte gekommen, worüber ich mich sehr freue. Aber sie ist immer gekommen als jemand, der die Oper und Musik liebt.

Glückwunsch nachträglich zum 50. Geburtstag! Alle halten Sie für ein unermüdliches Energiebündel. Merken Sie selber, dass Sie ruhiger werden?

Ich bin tatsächlich innerlich etwas ruhiger geworden, denn ich bin zufrieden mit dem, was ich mache. Ich bin stolz auf meine drei Bücher. Ich habe meine Karriere als Tenor und viele wunderbare Projekte vor mir. Nach all den guten und auch schweren Zeiten, die ich in meiner Laufbahn hatte, umarme ich alles, was ich gerade habe.

In Berlin ging das Gerücht um, dass Sie über die Intendanz der Staatsoper Unter den Linden verhandeln?

Nein, ich bin glücklich als künstlerischer Leiter der Internationalen Stiftung Mozarteum in Salzburg. Sicherlich wäre es eine große Ehre, das Berliner Opernhaus zu leiten, aber es würde mein Karriereende als Sänger bedeuten. Das wäre ein Vollzeit-Job! Ich freue mich als Sänger auf meinen ersten Loge im „Rheingold“ an der Staatsoper im Oktober. Auf die Neuproduktion von Richard Wagners „Ring des Nibelungen“ mit Maestro de Maestros Daniel Barenboim am Pult freue ich mich richtig.