Temperament und eine Fröhlichkeit, die einfach jeden ansteckt: Das ist der Tenor Rolando Villazón. Insofern ist er ein idealer Mozart-Interpret. Seinen Durchbruch erlebte er allerdings mit Verdi, und zwar an der Seite von Anna Netrebko – in der legendären “Traviata”-Inszenierung von Willy Decker bei den Salzburger Feststpielen 2005. Das Dasein als Star-Tenor allein genügt ihm nicht: Nebenbei schriftststellert Villazón noch, zeichnet Cartoons, tritt als Clown auf. Intendant der Salzburger Mozartwoche ist er auch noch. Nun feiert der mexikanische Tenor seinen 50. Geburtstag.

DAS GESAMTKUNSTWERK ROLANDO VILLAZÓN

Der Star-Tenor wird 50

Gibt es überhaupt einen Tenor, der bessere Laune hat als Rolando Villazón? Klar, über seine Stimme gingen und gehen die Meinungen sehr auseinander – speziell nach seiner Stimmkrise ab Mitte 2006. Aber dass er von ansteckender Fröhlichkeit und Lebensfreude ist, das wird niemand bestreiten. Insofern ist er im kunterbunten Rokoko-Zeitalter bei Mozart bestens aufgehoben: “Wirklich, diese Musik bleibt mir im Ohr. Ich höre ständig Mozart und dessen Melodien sind so fantastisch, unsterblich, und ich bin ganz glücklich, dass diese Melodien bei mir hängen bleiben.”

VILLAZÓN: EXPERIMENTIERFREUDIGER TEENAGER

Wenn ihn jemand damals, als er noch jung war, gefragt hätte, was er einmal werden wolle, hätte er mit Fug und Recht antworten können: Alles! Denn er probierte sich in vielen Sparten aus – unbekümmert und experimentierfreudig, wie er nun mal ist, wie er dem BR verriet. So habe er bereits mit zwölf Jahren angefangen, sich in allen möglichen Bereichen auszuprobieren: Er habe gesungen, geschrieben, getanzt, sich in der Regie versucht, sei auch als Clown aufgetreten. Somit probierte er als Teenager all das schon als Hobby aus, was er später beruflich machen durfte.

MEXIKANISCHE LEBENSLUST TRIFFT HERMANN HESSE

Seine Vorfahren wanderten aus Österreich nach Mexiko aus, sein Großvater war dort ein bekannter Fußballspieler. Villazón, geboren in Mexiko-City, lernte Deutsch, las sehr viel und zeigte sich begeistert von Romanen wie Hermann Hesses rebellischem “Steppenwolf”. Dessen Handlung wollte er gleich nachleben, übrigens auch mal wie Gandhi barfuß umher wandeln oder wie Don Quijote die Realität hinter sich lassen. Und diese Art Begeisterung für fiktive Stoffe ließ ihn eigentlich nie mehr los: “Ich bin in Mexiko geboren, und natürlich habe ich diese ganze Kultur in meiner Seele, den Humor, die Lebensfreude und die Leidenschaft für das Singen. All das ist in meinem Herzen und in meiner Seele.”

MIT DEM HERZEN SINGEN

Und so wurden die seelenvollen Partien seines Fachs, die liebeskranken Romantiker, denn auch sein Markenzeichen: Er war ein großartiger Nemorino in Donizettis “Liebestrank”, wurde als “Hoffmann” in London gefeiert, stemmte den “Werther” und überzeugte als Lenski im “Eugen Onegin”. Sein künstlerisches Credo: viel Herz und Gefühl. Und keine Angst haben. Das gilt auch fürs Publikum. Man müsse nicht viel wissen, um in die Welt der Oper einzutauchen, so Villazón. Freilich gebe es Leute, die hätten viel Fachkenntnis über Stimmen, über Komponisten und die Stücke – aber auch die hätten alle mit Nichts angefangen.

RAUS AUS DEM HOCHKULTUR-ELFENBEINTURM

Längst wurde Rolando Villazón zum Musikbotschafter, zum Vermittler und Anreger. Dabei will er das Publikum keineswegs unbedingt in die Opernhäuser und Konzertsäle holen, sondern umgekehrt die Oper vielmehr nach “draußen” ans Publikum bringen. Deshalb hat er auch keine Berührungsängste mit Fernsehshows und skurrilen Auftritten aller Art. Ein Missionar im Sinne des modernen Regietheaters ist er nicht, wie er mit seinen Belcanto-Inszenierungen deutlich gemacht hat. Das Theater als moralische Anstalt ist nicht seine Sache, weder als Sänger, noch als Regisseur oder Schriftsteller. “Entweder schreibst du einen Essay oder einen Roman”, so bringt es der Tenor auf den Punkt. Und ein Roman lebt eben von seiner Geschichte, dessen Charakteren und Gefühlen.

MOZARTWOCHE: KEINE ANGST VOR ZIRKUSNUMMERN

Seit fünf Jahren ist er beruflich in Salzburg heimisch geworden, auch wenn er in der Nähe von Paris in Neuilly-sur-Seine lebt. Als Chef der Mozartwoche ist es ihm wichtig, die ganze Bandbreite des Musiktheaters abzubilden. So lässt er auch Marionetten auftreten oder streut auch mal eine Zirkusnummer ein. Mozart habe sich ja schließlich auch für sämtliche Kunstformen vom Varieté bis zum Streichquartett begeistern können.

Mozart bringt uns alle zusammen.

Rolando Villazon

Für seinen runden Geburtstag, dem “Cincuentañero”, hat Villazón sich eine hochkarätige Geburtstags-Gala geschenkt: Am Vorabend, dem 21. Februar, tritt er mit seinen Weggefährten auf, darunter Plácido Domingo, Regula Mühlemann, Magdalena Kožena und Michael Volle. Arte sendet das Konzert am 22. Februar. Ein Geschenk auch an die Internationale Stiftung Mozarteum – der Erlös kommt der Stiftung zugute, die von der Covid-19-Pandemie finanziell schwer getroffen wurde. Auf “Glück” gebe es im Leben übrigens keinen Rechtsanspruch, sagte Villazón mal im BR. Vielmehr sei es wichtig, sich mit dem abzufinden, was die Welt nun mal bereithalte und das jeweils Beste draus zu machen. Dieser Gleichmut klingt mentalitätsmäßig irgendwie nach Mexiko, aber ganz sicher auch nach Österreich. Und dazwischen ist Platz für jede Menge Musik!